Email: info@mohme.de Email-Hinweis | Laudatio anlässlich der Vernissage am 18.10.2002 in Karlsruhe, MANN MOBILIA GMBH. Gelesen von Daniel Cämmerer, Kunsthistoriker
Bildwerken mittels des Worts zu Leibe zu rücken ist ein wenn nicht ganz aussichtsloses, so doch zumindest tollkühnes Unterfangen. Umso mehr, wenn man selbst, wie ich, aus der Bildenden Kunst kommt. Denn „in der Kunst haben Theorien die gleiche Nützlichkeit wie Verordnungen in der Medizin: um daran zu glauben muss man krank sein – das Wissen tötet den Instinkt. Man macht nicht Malerei, man macht seine Malerei.“ Soweit Maurice de Vlaminck in seinen „Tournant dangereux, Souvenirs de ma vie“ (Paris 1929) Unter „Vitale instinktive Malerei“ mit französischem Untertitel in Stuttgart 1959 erstmals in deutscher Sprache. Um Theorien soll es darum im Folgenden auch nicht ausschließlich gehen, wohl aber um Nützlichkeit. Denn: wenn ein europäischer, ein deutscher Künstler sein gesamtes Schaffen derart dezidiert unter einem Titel – nämlich: „Afrikanische Impressionen“ subsummiert, dann ist es nützlich, etwas über das Verhältnis zwischen Europa und Afrika, zwischen dem europäischen und dem afrikanischen Verständnis von künstlerischem Arbeiten zu erfahren - um letztlich dem auf den Grund zu gehen, was denn das eigentlich afrikanische an den Arbeiten Jörg Mohmes ist. Meine Damen und Herren, das wirtschaftliche und politische Verhältnis zwischen Europa und Afrika ist bekanntermaßen seit jeher von einer großen Ambivalenz geprägt. Der Beschaffung münzfähigen Goldes aus den westafrikanischen Minen- und Schürfgebieten steht der von Mauren und Europäern gleichermaßen betriebene Sklavenhandel gegenüber; Blixens Farm am Fuße der Ngongberge die waffenstarrenden Arsenale jederzeit repressionsbereiter Kolonialtruppen. Das Zeitalter des Kolonialismus mit seiner intensiven Sammel- und Ausstellungstätigkeit
ist es aber auch, in dem man in Europa der „Kunst“ der Schwarzen
erstmals Beachtung schenkt. Carl Einstein fasst die damalige Lage in seiner 1915 publizierten Schrift „Negerplastik“ so zusammen: „Kaum einer Kunst nähert sich der Europäer dermaßen misstrauisch wie der afrikanischen. Zunächst ist er geneigt, überhaupt die Tatsache „Kunst“ zu leugnen und drückt den Abstand, der zwischen diesen Gebilden und der kontinentalen Einstellung sich auftut, durch Verachtung aus, die sich geradezu eine verneinende Terminologie schuf.“ Auf dem Gebiet der Bildenden Künste allerdings vollzieht sich diesbezüglich zu Beginn des letzten Jahrhundert eine dramatische Wende – wohl auch als antipathischer Reflex auf das dröge Zeitkolorit und die erstarrten akademischen Abgrenzungsrituale der spätimperialistischen europäischen Staaten. Eine Wende, die mit eingeleitet zu haben, auch Carl Einsteins unbestrittenes Verdienst ist. Denn „Negerplastik“ ist in einer Flut von Afrika-Literatur, wie sie ab 1910 auf den unterschiedlichsten Ebenen boomt, gerade unter Künstlern das Werk mit dem durchschlagendsten Erfolg – sicherlich nicht zuletzt wegen seiner Vielzahl an Abbildungen. Doch, meine Damen und Herren, ist die europäische Kunst deshalb afrikanischer geworden? Mitnichten, wie ich finde. Denn bei allen zum damaligen Zeitpunkt staunenswerten
Formanalysen afrikanischer Kunst, entpuppt sich „Negerplastik“ über
weite Passagen als eine bloße Metapher für die Suche nach Einfachheit
und einer neuen Daseinsgewissheit im Zuge einer immer technologisierteren Welt. Ein Ambivalenzverhältnis, das man in der weniger theoriegeladenen Annährung an die afrikanische Kunst durch die künstlerischen Avantgarden der europäischen Moderne zunächst nicht vermuten möchte, das jedoch auffällige Parallelen zu den Einstein’schen Elogen an afrikanische Bildwerke aufweist. Zwar adaptieren die Künstler des Fauvismus (von frz. „Fauves“, wilde Tiere) und Kubismus in Frankreich in ihren Werken ab 1906 eine Vielzahl afrikanischer Vorbilder. Aber auch dies geschieht bei aller glaubwürdig überlieferten Faszination, die die afrikanische Kunst auf die Vertreter des Fauvismus, Kubismus und Expressionismus ausgeübt haben muss, vor allem, um „den Kreis zu sprengen, in den uns die Realisten eingeschlossen haben.“, wie es André Derain anschaulich formulierte. Die Auseinandersetzung mit außereuropäischen Objekten und ihren Gestaltungsgesetzen dient also auch hier in wesentlichem Maße als Mittel zur Austragung unzweifelhaft europäischer künstlerischer Diskurse. Und so bemerkt auch Kahnweiler, enger Picasso-Freund und einer dessen frühester Förderer, 1948 ganz richtig: „C’est la sculpture nègre qui a permis aux peintres cubistes de voir clair dans des problèmes que l’évolution de l’art européen avait embrouillés et de trouver une solution qui,..., aboutissait à la liberté qu’ils ambitionnaient.“ Mit Einem: Dass die schwarzafrikanische Plastik den kubistischen Malern vor allem zur Klärung künstlerischer Fragen diente, die die Entwicklung der europäischen Kunst aufgeworfen hatte und ihnen half innerhalb der europäischen Kunst Lösungen zu finden, die in die Freiheit bzw. Emanziption (etwa von realistischen Dartstellungskonzepten) mündeten, die sie ehrgeizig erstrebten.
Dem afrikanischen in der afrikanischen Kunst mag zum damaligen Zeitpunkt Karl
Schmidt-Rottluff am nächsten gekommen sein. In seiner „Afrikanischen
Ikonografie“ entwickelt Schmidt-Rottluff einen ganzen Bildkosmos beherrschende
Motivkreise, die sich fast ausschließlich aus afrikanischen Objekten zusammensetzen.
Jedes einzelne Bildinventar steht gleichberechtigt als Referenzgegenstand für
den Gehalt des ganzen Bildes. Und so resummiert der Zeitgenosse Hugo Ball, nicht ohne Spitze gegen den Expressionismus als solchen, sehr ironisch: „Auch von den Negern nehmen wir nur magisch-liturgische Stücke, und nur die Antithese macht sie interessant. Wir drapieren uns als Medizinmänner mit ihren Abzeichen und Extrakten, erlassen uns aber gern den Weg, auf dem sie zu diesen Kult- und Paradestücken gekommen sind.“ Sehr viel mehr, meine Damen Herren, trifft darum das, was Wilhelm Niemeyer in den Zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts zu den Arbeiten Karl Schmidt-Rottluffs formulierte, auf die Arbeiten Jörg Mohmes zu, wie ich meine – denn erstens er hat sich den Weg nach Afrika nicht erlassen und zum Zweiten ist es Afrika selbst, das den einstmaligen Schüler Jörg Mohme zu dem geformt hat, als den sie ihn heute gemeinsam mit mir erleben dürfen: den Maler Jörg Mohme – der sich, als er mit gerade einmal 18 Jahren seine erste Reise auf den Schwarzen Kontinent antritt, sehr viel mehr für Musik als für Malerei interessiert. Ob er Afrika jemals mit „Kinderaugen“ gesehen hat, wie Maurice de Vlaminck es für die Bildende Kunst forderte? Fest steht, dass „die dunkel lockende Welt“ wohl Reise für Reise tiefer in den späteren, durch kunstakademische Diskurse unbelasteten Studenten der Musikwissenschaften eindringt als er in sie. Und Mohme kommt nicht als Tourist im herkömmlichen Sinne. Ob in Salé, Marrakesch, Dakar, in der Cassamance oder in einer der Oasen Südmarrokos: er legt Hand mit an, sitzt nach getaner Arbeit mit um das gemeinsame Feuer, er hört zu. Und vor allem hört er, ganz ohne jedes kulturelle Überlegenheitsgefühl, auf das, was Afrika und seine Menschen ihm zu sagen haben: „Willst Du in die Steppe gehen, musst Du eine Weile darin verbringen.“ Ein Rat, den Mohme mehr als ausgiebig befolgt. Und Mohme fällt eine Antwort der Steppe und ihrer Menschen zu. Nämlich: dass er dazugehört, dass er lebendiger Bestandteil dieses Ganzen ist, und für dessen Ordnung mitverantwortlich. Musik und Malerei, Rituelles und Profanes geschehen für Mohme seither aus ein und demselben Impuls: als Steigerung des Lebens, der sozialen Gemeinschaft von Mensch und Mensch, Mensch und Natur. Wie sehr Mohme sich dadurch unmerklich von europäischen Weltauffassungen
entfernt hat, lässt sich an dem nachvollziehen, was der Afrikakenner Anton
Vorbichler über die Weltvorstellungen westafrikanischer Völker so
zusammengefasst hat: Diese Weltauffassung spiegelt sich in den Mohme’schen Figurengruppen, bei denen offenbleibt, ob es sich um menschliche oder göttliche Wesen, um miteinander In-sich-Horchende oder Einander-etwas Zuträumende, Beschwörende oder Verschworene handelt - immer stehen sie in einer allenfalls erahnbaren Beziehung zueinander; verbunden durch Ornamente und wachsende Linien immer aber in einer Beziehung, die durch eine ständige Neugruppierung der einzelnen Tafeln zu Diptycha, Triptycha oder mehrgliedrigen Bildergruppen ihrerseits wieder in Beziehung zu anderen treten können. Keinesfalls erahnbar, sondern mitunter ausgesprochen griffig bisweilen: das Gestaltungsinventar in Mohmes Arbeiten bis 2001: etwa die doppelten Lineaturen und Gittermuster, die ihre westarabische Herkunft nicht leugnen können, und auch nicht wollen. Denn für Mohme sind sie im Lebenskontext erschaute, nicht im rekontextualisierenden Rahmen musealer Präsentationen betrachtete und formästhetisch analysierte Gestaltungsmittel innerhalb seines üppig gegliederten Bildkosmos. Ähnliches gilt für die Agamenmotive, um deren mythologische und historische Bedeutung Mohme inzwischen sicher weiß, die er aber eben auch zuweilen liebevoll als „die Spatzen von Burkina Faso“ bezeichnet – schlicht, „weil Du ihnen einfach überall begegnest, sie über Dein Schuhwerk huschen, so dass Du achtgeben musst, sie nicht zu verletzen.“ Nein, ein Künstler europäisch-akademischer Tradition ist Mohme mit Sicherheit nicht – womit er sich wohltuend von so mancher intellektuell überformten Mainstreamdebatte an deutschen Kunsthochschulen abhebt – und vielleicht gerade das einlöst, worum es auch in der Bildenden Kunst schon immer ging: um Eigenständigkeit und Unverwechselbarkeit. Auch was die Wahl seiner Malmittel angeht, hat sich Mohme, der sein erstes malerisches Rüstzeug in den Jahren 1981-83 als Atelierassistent des Karlsruher Malers Karl Peter Müller erwarb, gegen akademische Beständigkeit, und damit gegen die Ölmalerei entschieden. Das entspräche auch nicht seiner Arbeitsweise. Mohme ist ein Meister des
Skizzenhaften, des schnellen, aber sicheren Entwurfs. Und immer wieder: Rotockertöne für Erde, Blau für Himmel und Wasser, Gelb als Beleuchtung. Afrikanische Impressionen eben, keine europäischen. Der jungen westafrikanischen Malerei, etwa den Arbeiten Fernand Noukoumis,
näherstehend als der zeitgenössischen europäischen Malerei. In
Europa ein abstrahierender Maler, nach afrikanischem Empfinden aber ein Naturalist. Gewürdigt hat man die Arbeit von Jörg Mohme bereits vielerorts. Keine Würdigung freilich wird Jörg Mohme innerlich so berührt haben, wie die Worte eines Vertreters des Ministeriums für Kultur von Burkina Faso anlässlich seiner ersten Ausstellung in Westafrika: „Ihre Arbeiten Ihren afrikanischen Kollegen den Respekt vor ihrer eigenen Kultur zurück.“ Sicherlich könnte man auch in diesen Worten vermuten, dass es sich dabei um nichts anderes als einen erneuten Kotau des künstlerische Selbstbewusstseins Afrikas gegenüber dem aus dem europäischen Afrikabild gespeisten „weißen“ Patronageverhältnis gegenüber der zeitgenössischen Kunst Afrikas handelt. Formulierungen ganz aktueller deutscher Verlagsprogramme im Rahmen der üblichen europäischen „Wiederbelebungsfeierlichkeiten“ für das „Primitive“, heute vorsichtiger „Natürliche“ oder „Authentische“, wie „eine wichtige Rolle der afrikanischen Kunst wünschen wir uns auch weiter“ sprechen da Bände, meine Damen und Herren – und ziehen eine erschreckend nahtlose Linie von der utilitaristischen Auffassung afrikanischer Kunst zu Beginn des letzten Jahrhunderts bis hin zur Politik der Integration und Einbettung „ethnischer Objekte“ in das eigene Wertesystem, wie sie die Industrienationen bis heute zur Untermauerung ihrer eigenen Idee vom „global village“ gerne praktizieren. Was Sie, meine Damen und Herren, dabei trösten mag: Die Worte des Kulturministers von Burkina Faso waren sicherlich nicht an den Europäer Jörg Mohme, sondern an den Afrikaner Jörg Mohme gerichtet. In den Kontext genuin afrikanischen künstlerischen Arbeitens sollten die Arbeiten Jörg Mohmes denn auch in Zukunft gestellt werde. Nicht, dass sie es „verdient“ haben – im Übrigen ein sehr europäischer Begriff - nein. Etwas anderes entspricht ihnen einfach nicht mehr. Vielen Dank. | |||||||||||